Sinn oder Unsinn: Urinmessung zur Bestimmung einer Übersäuerung
Sinn oder Unsinn: Urinmessung zur Bestimmung einer Übersäuerung
Wohl ein jeder weiß inzwischen, wie wichtig der Säure-Basen-Haushalt ist und dass dieser einer steten Regulation bedarf. Essen und trinken wir doch täglich säure- wie basenbildende Lebensmittel, bei deren Verstoffwechslung wir unsere Puffersysteme mal mehr oder weniger beanspruchen.
Generell kann man sagen, dass je basenbildender man sich ernährt, desto gesünder man ist.
Doch kann man das auch selbst messen? Hier wird gern ein Urintest zur pH-Bestimmung empfohlen. Doch wie sinnvoll ist solch ein Test?
Gleich vorweg: Nicht so sinnvoll, wie viele ihn darstellen!
Rückschlüsse verschiedener pH-Werte
Wir haben im Körper verschiedene pH-Werte. Ist unser Blut im Bereich von 7,35-7,45 basisch, so ist unser Speichel mit einem pH-Bereich von 6,5-7,0 schon verstärkt sauer und unsere Magensäure ist mit einem pH-Wert 1,5-2,0 sogar extrem sauer. Doch für jeden Bereich ist das absolut richtig so. So muss die Magensäure z. B. sehr sauer sein, denn dank der in ihr enthaltenen Salzsäure werden schließlich komplexe Speisen zersetzt.
Kurz: Verschiedene pH-Werte sind normal. Auch sehr saure Milieus sind in unserem Körper sehr normal bzw. absolut notwendig! Nun käme vermutlich niemand auf den Gedanken aufgrund des sauren pH-Werts der Magensäure Rückschlüsse oder Verbindungen zum pH-Wert von 7,4 unserer Tränenflüssigkeit zu schließen… Doch beim Urintest wird genau das im Prinzip gemacht. Da pinkelt man auf einen Messstreifen und das soll dann auf eine Übersäuerung im Blut hinweisen? So betrachtet erkennt man schon einen gewissen Unsinn in den normalen Urintests!
Wieso 1x messen nicht funktionieren kann
Der häufigste Fehler der bei der Urinmessung gemacht wird ist, dass man aus einer Momentaufnahme einen dauerhaften Ist-Zustand ableitet.
Der pH-Wert des Urins verändert sich im Laufe des Tages. Jeden Tag! Bei jedem Menschen! Dabei ist der Morgenurin meist bei circa 5,0 bis 6,0 – also im sauren Bereich – und kann im Tagesverlauf bis auf 8 steigen. Dies ist abhängig von der Art und Menge der Mahlzeiten. Bei fleischlastiger Ernährung ist der Urin saurer als bei pflanzlicher. Doch nicht nur das… so hinterlassen z.B. Kaliummangel, Zinkmangel oder auch ein harntreibendes Medikament (Diuretika) unterschiedlich stark Säure im Körper. Nur: Im Urin taucht dieser Mangel als solches nicht auf.
Daher sollte niemals nur 1x der Urin-pH-Wert zur Bestimmung einer Übersäuerung gemessen werden. Wenn, dann sollte jeder Toilettengang gemessen werden. Natürlich auch mehrere Tage lang!
Doch selbst dann ist’s noch aus weiteren zwei Gründen kein verlässlicher Messindikator!
1. Im Urin findet sich unter 1% der gesamten Säure-Ausscheidung wieder. Die übrigen 99% werden in anderer Form ausgeschieden und sind somit überhaupt nicht messbar mit den pH-Teststreifen!
2. Wie schon zuvor geschrieben: Saurer Urin ist etwas vollkommen Normales. Eben deswegen lässt er zum einen auch keine Rückschlüsse auf den pH-Wert im Blut zu und zum anderen sagt es auch nichts über die generelle Mineralstoffversorgung (welche wichtig für die Puffersysteme sind) zu.
Es lässt sich also auf diese Weise weder eine bestehende noch eine mögliche künftige Übersäuerung messen!
Schlimmer noch: Würde sich z. B. wirklich massiv Säure im Urin zeigen, so hätten sie ein großes Problem! Würde wirklich viel Säure im Urin rauskommen, so ist dies ein klares Zeichen, dass die vorgelagerten Nieren Schäden wie z.B. Harnsäuresteine haben.
Wie es besser geht
Aber: Ganz unsinnig ist die Urinmessung nun auch wieder nicht! Schließlich lässt sich grundsätzlich vieles im Urin bestimmen, was in anderer Form Rückschlüsse auf Ernährung und Gesundheit gibt!
Wichtiger ist bei der pH-Messung des Urins eher sie mehrfach täglich und über Tage hinweg durchzuführen – und ihre Ergebnisse im richtigen Licht zu betrachten und nicht zu überbewerten!
Besser als eine Momentaufnahme ist z.B. die komplexere Urinmessmethode nach Sander, denn dabei werden neben dem pH-Wert auch die gebundenen sauren und basischen Anteile gemessen. Hieraus kann dann ein mittlerer Säurequotient erstellt werden, der wiederum Rückschlüsse auf die Puffersysteme und die Säurebelastung im Körper gibt.
Fazit:
Mit Urinteststreifens lässt sich nicht verlässlich eine Übersäuerung diagnostizieren. Ein „saures“ Ergebnis zeigt nicht zwangsläufig auf eine Störung der Säure-Basen-Regulation hin, denn der Urin ist naturgemäß täglich sauer. Die Urinmessung ist also höchstens ein Teil der sehr komplexen Thematik der Säure-Basen-Regulation.
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